Mediative Elemente in der Unternehmensnachfolge

(September 2008)

Mediation wird landläufig als Konfliktlösungsinstrument definiert, bei der alle beteiligten Parteien unter Leitung eines unparteiischen Dritten eine für sie passende Lösung entwickeln. Mediation setzt einen Konflikt voraus und sucht nach Wegen aus dem Konflikt.

Der Mediator ist gegenüber allen Beteiligten neutral, verfügt idealerweise über kommunikative Kompetenz und ausreichende spezifische Kenntnisse in dem Fachgebiet, in dessen Kontext der Konflikt entstanden ist. Anders als bei einem Gerichtsverfahren löst nicht eine dritte Stelle, sondern die Parteien selbst lösen ihren Konflikt.

Wirtschaftsmediation als Teilgebiet wird in allen möglichen Bereichen des Wirtschaftslebens angewandt, bei Streitigkeiten zwischen Kunden und Lieferanten, zwischen konkurrenzierenden Unternehmen, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Abteilungen eines Unternehmens, bei Streitigkeiten innerhalb der Belegschaft, bei Fusionen und nicht zuletzt im Zuge von Nachfolgekonflikten. Warum nun Mediation oder mediative Elemente bei Unternehmensnachfolgen?
Einerseits gibt es eine enorme Ressourcenersparnis, wenn man bedenkt, wie zeit- und kostenintensiv Gerichtsverfahren sind. Nicht funktionierende Unternehmensnachfolgen können ganz leicht den Bestand eines Unternehmens gefährden. Andererseits führt die Mediation die Beteiligten zu einer positiven, neuen Haltung, die von Verständnis für die andere Seite und Lösungsorientierung geprägt ist, weil alle Medianden im Verfahren konstruktiv an einer nachhaltigen Konfliktbereinigung mitgearbeitet haben. Der gesamte Prozess ist darauf aufgebaut, die Gesprächsbasis der Medianden aufrecht zu erhalten oder sogar zu verbessern. In einem Familienunternehmen, bei dem es ja neben der betrieblichen Sphäre auch eine familiäre gibt, kann dieser Aspekt von besonderer Relevanz sein.

Auch wenn deren Konfliktpotenzial nicht immer gleich bemerkt oder vielleicht sogar negiert wird, sind gerade Betriebsnachfolgesituationen, und hier im speziellen diejenigen im familiären Kontext, konfliktgeneigt. Da Konflikte Chancen auf positive Veränderung bieten und sie eine wertvolle Ressource für jede Beziehung darstellen, ist es auch sinnvoll, sich der Konfliktaustragung zu stellen. Wenn zwar kein ausdrücklicher Konflikt vorliegt oder dieser noch nicht eskaliert ist, braucht es noch keine Mediation im formellen Sinn, hier genügen mediative Maßnahmen. Der Mediator versteht sich hier eher als Moderator, um das Gespräch zwischen den Betroffenen konstruktiv zu begleiten und in Gang zu halten. Er achtet auf ausgeglichene Gesprächsanteile, verhindert emotionale Ausbrüche, beeinflusst die Gesprächskultur, stellt sich nicht auf die Seite eines Konfliktpartners, versucht neue Perspektiven in die Diskussion zu bringen bzw. den Parteien wechselseitig aufzuzeigen.

Konkret heißt das:
Zu allererst wird den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, Meinungen und Standpunkte ungestört vortragen und anhören zu können. Zur Verdeutlichung des Gesagten kann sich der Mediator bestimmter kommunikativer Techniken bedienen.

Wichtig ist, die Bereitschaft der Beteiligten zur Teilnahme am Prozess und an der Erarbeitung einer für alle Seiten akzeptablen Lösung zu schaffen. Das heißt, die Medianden so weit zu bringen, dass sie von den eigenen Positionen und Haltungen Abstriche machen können. Das wird durch das "Hinter die Positionen Fortsetzung schauen" ermöglicht. Dabei werden nämlich erst die eigentlichen Themen, also Bedürfnisse und Interessen (z.B. Anerkennung, Würdigung) sichtbar, die hinter der Position (z.B.: Beharren auf Mitspracherecht in allen wesentlich scheinenden Fragen) verborgen waren.

Durch den gemeinsamen Erfolg beim Erarbeiten von Lösungen kommt es oft zu einer verbesserten Kommunikation zwischen den Beteiligten und nicht selten zu einer Erleichterung, wenn schwelende, gar nicht als solche erkannte Konflikte zu Tage gefördert, ausgesprochen und gelöst worden sind.

Ein mediativer Prozess kann auch dabei helfen, die Strukturen von Abläufen sowie der Organisation erkennbar zu machen und zu neuen Strukturen zu gelangen, die zur neuen Eigentümer- oder Geschäftsleitungssituation passen. Meist sind Familienunternehmen sehr stark auf eine Person zugeschnitten, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Diese Strukturen passen oft nicht für die Nachfolger. Eine dauerhafte gute Lösung kann nur dann geschaffen werden, wenn alle rund um den Tisch an der künftigen Gestaltung des Unternehmens arbeiten, bei gleichzeitiger Anerkennung und Würdigung des Bisherigen. Wenn das erkannt wird und auch stattfindet, wird es einem Übergeber viel leichter fallen, zu einer Änderung in den Abläufen oder in der Aufbauorganisation seine Zustimmung zu geben.

Zur Vermeidung künftiger Streitigkeiten bzw. zur Konfliktprophylaxe kann der mediative Prozess u.a. dadurch beitragen, dass ein Verhaltenskodex ausgearbeitet wird. Dort hält man fest, wann, mit wem und in welcher Weise künftighin kommuniziert wird, damit es erst gar nicht zu einem Konflikt kommen muss und dennoch die unterschiedlichen Meinungen und Sichtweisen auf das Tapet gelangen können, oder dass es zwar zu einem Konflikt kommt, dieser aber auf einer niedrigen Stufe der Eskalation bereits ausgetragen werden kann und man ihn so konstruktiv nützen kann.

Auch in der Planung einer Nachfolge können Aspekte der Mediation hilfreich angewendet werden. Etwa bei den Überlegungen, wer als Nachfolger in Frage kommt, was er oder sie auf dem Weg dorthin noch braucht, welche Ressourcen und Maßnahmen notwendig sind, um eine geordnete Übergabe zu schaffen. Auch bei der Überlegung, vielleicht doch jemand außerhalb des Familiensystems mit der Nachfolge zu betrauen, kann Unterstützung geboten werden.


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