Kopf und Bauch

(April 2017)

Die emotionale Komponente

Wir wissen. dass der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist und daher, vor allem im wirtschaftlichen Bereich, vorwiegend rational agiert. Wir wissen aber auch, dass unsere emotionale Komponente sehr stark - und vor allem viel spontaner, viel schneller - ist. Viele Entscheidungen, ob gute oder weniger sinnvolle, werden auch im Wirtschaftsleben mehr aus dem Bauch als im Kopf gefällt. Mit anderen Worten: Das Gefühl und Empfinden spielt immer mit!

Noch stärker ist dieses Phänomen bei einer Unternehmensübergabe/-übernahme festzustellen. Zunächst befinden sich beide Schlüsselpersonen, nämlich der Übergeber und der Übernehmer, in einer besonderen psychischen Situation.

Scheiden tut weh

Beginnen wir beim Übergeber. Er verabschiedet sich von seinem "Lebenswerk", das er oft selbst noch aufgebaut, oder zumindest mehr oder minder erfolgreich geführt hat. Es war (oder ist bei Übergabe) ein Teil von seinem Leben, aus dem er persönliche Befriedigung bezogen hat. Ein Abschied fällt fast immer schwer, um so schwerer, als es sich um einen so gravierenden Lebensbereich handelt. Nicht selten wird Selbstwertgefühl und Existenzberechtigung aus persönlicher Sicht ausschließlich aus dem Berufsleben geschöpft.

Das Loslassen fällt daher nicht leicht. Selbst wenn der Übergeber spürt, dass eine Periode abgelaufen ist, dass Änderungen von dringendster Notwendigkeit sind, er aber gar nicht mehr bereit wäre, diese durchzuführen, tut es ein bisschen weh, wenn sie ein anderer durchführt. Dieser Umstand kann sogar noch problematischer sein, wenn es sich beim Nachfolger um ein Familienmitglied handelt. Bedeutet dies doch die Umkehr der Herrschaftsverhältnisse!

War z.B. ein erfolgreicher Unternehmer und Vater bisher auch alleiniger Entscheider in Familie und Betrieb - der Sohn oder die Tochter hatten die Entscheidungen zu akzeptieren. Ist der Betrieb einmal übergeben, entscheidet Sohn oder Tochter - der Vater hat zu akzeptieren. Dazu kommt noch die Angst vor dem "Pensionsschock"! Jahrelang hat man über zu wenig Freizeit geklagt, viele Hobbies auf die Pension verschoben. Aber wenn der Moment gekommen ist, das alles nachzuholen, siegt die Angst vor dem "nicht mehr gebraucht werden", vor der Umstellung auf den wohlverdienten Ruhestand, über die Freude, ihn endlich erreicht zu haben.

Diese Situation ist menschlich nicht einfach. Gerade darum werden auch viele Unternehmen in genau jener Phase kaputt gemacht oder erleiden schweren Schaden. Von Seiten des Übergebers ist es nicht nur der Verlust der absoluten Entscheidungsgewalt sondern auch die Sorge, ob der Nachfolger auch wirklich das Richtige tut. Ihm (ihr) fehlen doch genau diese 20, 30 Jahre Erfahrung, die der Übergeber hat! Aber genau die hatte er vor 20, 30 Jahren auch nicht, dafür aber den Elan und das Gespür für die Zeit, in der er das Unternehmen aufbaute oder leitete.

Aufbruchstimmung

Beim Übernehmer herrscht Euphorie. Für ihn ist eine Übernahme ein Neustart - egal, ob er aus dem Unternehmen kommt oder von außen. Gemeinsam sind beiden Veränderungen durchzusetzen, wobei dies für Zweiteren oft einfacher sein wird als bei Übernehmern aus der Firma. Letztlich haben diese ja im alten System mitgearbeitet, es mitgetragen.

Es macht einen enormen Unterschied, ob der Besitzerwechsel abrupt oder fließend erfolgt (siehe Formen des Betriebsübergangs), das Adrenalin des Übernehmers beeinflusst seine Handlungsweisen in beiden Fällen. Gleichzeitig gilt es ein ambivalentes Gefühl nach dem Kaufakt (war es richtig diese Firma zu erwerben, werden meine Erwartungshaltungen erfüllt, ist alles tatsächlich so, wie ich mir es vorgestellt habe?) zu bewältigen.

Es treffen also zum Zeitpunkt der Übergabe zwei Alpha-Tierchen (Unternehmer) aufeinander, die sich in sehr gegensätzlichen Lebensphasen befinden: Loslassen und Durchstarten!


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