Erben & Schenken neu
EU-Erbrechtsverordnung

(März 2017)

Seit 17. August 2015 gilt bereits die EU-Erbrechtsverordnung. Diese regelt, welches Erbrecht bei internationalen Erbfällen anzuwenden ist. Sie findet in allen EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und Großbritannien Anwendung.

Nach der EU-Erbrechtsverordnung sind die Zuständigkeit der Gerichte und die anzuwendende Rechtsordnung am Aufenthalt der Person zum Zeitpunkt des Todes anzupassen. Lebt und verstirbt beispielsweise ein österreichischer Staatsbürger in Ungarn, ist grundsätzlich ein ungarisches Gericht für die Verlassenschaft zuständig und wendet ungarisches Recht an. Es sei denn die "Rechtswahl" wurde ausdrücklich im Testament bestimmt. Hat man also bereits ein Testament verfasst und bei einem Notar oder Rechtsanwalt hinterlegt ist zu prüfen, ob sich die Rechtswahlklausel in der letztwilligen Verfügung befindet - dies jedoch nur dann, wenn man tatsächlich einen zweiten Wohnsitz in der EU hat, sei es vorübergehend aus beruflichen Umständen oder vorhat dort seinen Lebensabend zu verbringen.

Erbrecht neu

Seit 1. Jänner 2017 gilt das neue Erbrecht. Hier die wesentlichen Änderungen:

Pflichtteil der Eltern entfällt

Für viele die wichtigste Änderung betrifft den Pflichtteil eines Erbes. Das gesetzliche Erbrecht, das immer dann zum Zug kommt, wenn kein Testament errichtet worden ist, stärkt seit 1. Jänner 2017 Ehepartner und eingetragene Partner. Er oder sie soll neben den Großeltern und Geschwistern alles erben. Außerdem ist der Pflichtteilsanspruch der Eltern entfallen. Dieser bestand bis dahin jedoch nur dann, wenn der oder die Verstorbene keine Nachkommen hatte und ein Testament zugunsten einer anderen Person errichtet wurde. Die Anwendungsfälle in der Praxis waren davor schon eher selten.

Künftig haben also nur noch die Nachkommen, eingetragene Partner und Ehepartner eines Verstorbenen Anspruch auf einen Pflichtteil, der bei Errichtung eines Testaments zugunsten anderer Personen relevant ist.

Sollte der Fall eintreten, dass die verstorbene Person unverheiratet und kinderlos war, keine Lebensgefährtin oder keinen Lebensgefährten zurückgelassen hat und auch über kein Testament verfügte, erben - wie bisher - die Angehörigen der zweiten Parentel, also Eltern und deren Nachkommen bzw. die Blutsverwandten der dritten Parentel, das sind die Großeltern bzw. deren Nachkommen.

Bisher konnte der Pflichtteil lediglich bei Kindern verkürzt werden, zu denen niemals ein Naheverhältnis bestanden hat. Seit 1. Jänner 2017 kann jedoch der Pflichtteil auch dann auf die Hälfte gemindert werden, wenn zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtteilsberechtigten über einen längeren Zeitraum (mindestens zwei Jahrzehnte) vor dem Tod des Verfügenden ein Verhältnis, wie es zwischen solchen Verwandten üblicherweise besteht, bestanden hat.
Der Verstorbene muss diese Pflichtteilsminderung wie zuvor zu seinen Lebzeiten testamentarisch angeordnet haben. Der Pflichtteilsanspruch kann allerdings nicht gemindert werden, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten das Recht auf persönlichen Verkehr mit dem Pflichtteilsberechtigten grundlos abgelehnt hat.

In der Praxis betraf diese Bestimmung nur Kinder, wenn nie ein elternähnliches Verhältnis zwischen dem oder der Verstorbenen bestanden hat. Lebten also der oder die Verstorbene zumindest eine Zeit lang in Hausgemeinschaft und wurde der Kontakt nachher abgebrochen, dann wurde die Reduzierung auf die Hälfte von der Rechtsprechung verneint.

Pflichtteilsstundung auf fünf Jahre: Vier Prozent Zinsen

Ebenfalls neu: Durch die Erbrechtsreform soll beispielsweise eine Erleichterung bei Bestehen von Familienunternehmen oder in Fällen, in denen Erben auf das Wohnhaus angewiesen sind, geschaffen werden. Seit 1. Jänner 2017 kann auf letztwillige Anordnung des Verstorbenen der Pflichtteil für die Dauer von fünf Jahren gestundet werden. In besonderen Fällen kann der Zeitraum durch das Gericht auf maximal zehn Jahre verlängert werden.

Erweiterung der Enterbungsgründe

Bis Ende letzten Jahres war der Entzug des Pflichtteils, umgangssprachlich oft als "Enterbung" bezeichnet, möglich, wenn der Erbe den Verstorbenen zu Lebzeiten im Notstand hilflos gelassen hat oder eine strafbare Handlung ihm oder ihr gegenüber begangen hatte, die mit mindestens einem Jahr Haft als Strafdrohung geahndet wird.

Seit 1. Jänner 2017 sind auch Straftaten gegen nahe Angehörige des Verstorbenen relevant, sofern sie ebenfalls mit mindestens einem Jahr Haft geahndet werden. Eine Bestimmung wurde jedoch gestrichen, und zwar der Enterbungsgrund wegen "der beharrlichen Führung einer gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößigen Lebensart". Diese Bestimmung war auch schon in den vergangenen Jahrzehnten als Relikt aus einer anderen Zeit anzusehen. Im 19. Jahrhundert beispielsweise war damit ein Kind gemeint, das unverheiratet mit einem Partner zusammengelebt hat.

Lebensgefährten bekommen mehr Rechte

Seit 1. Jänner 2017 kommt Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten ein außerordentliches Erbrecht zu. Gibt es keine gesetzlichen oder testamentarische Erben, geht das Vermögen an die Lebensgefährtin bzw. an den Lebensgefährten. Voraussetzung dafür ist ein gemeinsamer Haushalt, der über mindestens drei Jahre gemeinsam geführt wurde. Zudem darf die verstorbene Person zum Todeszeitpunkt nicht verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gewesen sein.

Eine weitere wichtige Bestimmung wurde eingeführt nämlich, dass die Lebensgefährtin bzw. der Lebensgefährte weiter in der Wohnung des Verstorbenen wohnen und den bisher gemeinsam genutzten Hausrat nützen darf und zwar auf Dauer eines Jahres.

Diese Frist hat auf den Antritt des Erbes durch den Erben keine Auswirkung. So geht beispielsweise eine Wohnung mit Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens an einen Erben. Der Lebensgefährte des Verstorbenen behält jedoch für ein Jahr das Wohnrecht gerechnet ab Sterbedatum.

Neue Formvorschriften für Testamente

Ein handgeschriebenes Testament ist weiterhin gültig. Wer seinen letzten Willen jedoch fremdhändig verfasst (Computer, Schreibmaschine oder einen Dritten) muss seit 1. Jänner 2017 erweiterte Formvorschriften einhalten. Die Identität der Zeugen (Name, Geburtsdatum, Adresse) muss im Testament enthalten und der sogenannte "Zeugenzusatz" eigenhändig geschrieben sein. Zudem muss das Testament einen handschriftlichen Zusatz des Verfügenden enthalten, in dem festgehalten wird, dass die Urkunde den letzten Willen enthält.

UN-Behindertenkonvention

Die gegenwärtige formale Beschränkung der Testierfähigkeit von Personen unter Sachwalterschaft widerspricht der UN-Behindertenkonvention. Sie wurde mit dem Erbrechts-Änderungsgesetz ersatzlos gestrichen.

Automatische Aufhebung von Testamenten durch Scheidung

Künftig werden Testamente zugunsten des früheren Ehegatten bzw. des eingetragenen Partners automatisch aufgehoben, wenn die Ehe geschieden bzw. eingetragene Partnerschaft aufgelöst wird.

Pflegevermächtnis

Erstmals werden Pflegeleistungen durch nahe Angehörige berücksichtigt. Ihnen gebührt ein gesetzliches Vermächtnis, wenn die Pflege an dem Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor dessen Tod mindestens sechs Monate in nicht bloß geringfügigem Ausmaß (in der Regel durchschnittlich mehr als 20 Stunden im Monat) erbracht wurde. Weitere Voraussetzung: die Pflege muss unentgeltlich durchgeführt worden sein.

"Vorausempfänge": Wichtige Neuerungen bei Schenkungen

Ein wesentlicher Punkt des neuen Gesetzes ist die Pflichtteilsberechnung. Die unterschiedlichen Regelungen bei Berechnungen für Schenkungen, Vorempfänge und Vorschüsse werden vereinheitlicht. Künftig wird zwischen Anrechnung und Hinzurechnung unterschieden. Durch die Anrechnung der Zuwendungen vermindert sich der jeweilige Pflichtteil jener Person, die davon profitiert hat.

Die Hinzu- und Anrechnungspflicht hängt weiterhin davon ab, ob die Zuwendung an eine pflichtteilsberechtigte Person oder an eine andere Person erfolgt ist. Zuwendungen an pflichtteilsberechtigte Personen werden unbefristet hinzu- und angerechnet. Zuwendungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen nur dann, wenn die Zuwendung innerhalb von zwei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen wirklich gemacht wurde. Schenkungen sind künftig zum Schenkungszeitpunkt zu bewerten: Wobei anschließend eine Aufwertung gemäß Verbraucherpreisindex auf den Todeszeitpunkt vorzunehmen ist.

Unentgeltliche Leistungen gelten künftig als Erbe

Künftig gilt jede unentgeltliche Leistung, die der Verstorbene zu Lebzeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten oder Dritten erbracht hat, als anrechenbare Schenkung.
Die unentgeltliche Leistung wird auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten rechnerisch dem Nachlass hinzu addiert und davon der (erhöhte) Pflichtteil berechnet. Ist der oder die Beschenkte selbst pflichtteilsberechtigt, dann ist der Wert der Schenkung daran anschließend von seinem Pflichtteil abzuziehen.

Vor allem die Beweisbarkeit erbrachter Leistungen sei es beim Pflegevermächtnis oder bei Vorausempfängen wird wohl die größte Streitfrage in Zukunft sein.


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